Traum40 – Abendmahl und querfeldein
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Ich war auf einer merkwürdigen Veranstaltung, eine Mischung aus Letztem Abendmahl, Kulturevent und Querfeldeinlauf. Dort sehe ich plötzlich meinen erst kürzlich verstorbenen Ex-Mann sitzen. Im Nachhinein würde ich eher sagen, dass er aussah wie mein ebenfalls bereits verstorbener Vater, aber in dem Moment war ich mir sicher, dass es mein Ex-Mann war. Dünn, faltig, zahnlos und grau. Bar jeglicher Vitalität. Um Jahre gealtert. Er sprach kaum. Ich hatte das Gefühl, dass er sich für seine Zahnlosigkeit schämte, und stellte mir vor, wie schrecklich sie für ihn sein musste, diese leere Mundhöhle. Das Leben schien ihm eine letzte Galgenfrist gewährt zu haben, und ich erzählte ihm, wie alles abgelaufen war nach seinem vermeintlichen Tod. Ich weiß, sagte er nur immer wieder. Es schien ihm nichts auszumachen und daran irgendetwas zu ändern nicht seine Mission zu sein. Dennoch versuchte ich, ihm zu vermitteln, dass die Gunst der Stunde vielleicht darin lag, manche Dinge im Nachhinein doch noch regeln zu können. Die Szenerie wechselte ständig zwischen unserem Gespräch am Tisch einer Geschlossenen Gesellschaft, verschiedenen Schauplätzen, an denen ein mir unbekannter junger Mann Monologe aus einem Theaterstück, das anscheinend am selben Abend noch aufgeführt werden sollte, zitierte und kommentierte, und einer Art Schnitzeljagd durch die freie Natur, in der es einen Fluss zu überqueren galt, über den keine Brücke führte. Eine ältere Dame winkte mir lächelnd vom anderen Ufer aus zu, und ich fragte mich, wie sie das geschafft hatte, obwohl der Fluss eigentlich nur einem schmalen Bändchen glich, das sich durch den Wald schlängelte.
Dann stehen wir an einem Zebrastreifen. Mein Ex-Mann verschwindet in einem Haus auf der anderen Straßenseite. In den Räumlichkeiten eines Steuerberaters, den wir einmal zusammen aufgesucht hatten. Eigentlich müsste ich dort hinein, das weiß ich, aber ich betrachte lediglich von Weitem die geöffnete Tür. Auf dem Bürgersteig davor erkenne ich die ältere Dame wieder. Plötzlich wird mir bewusst, dass es für meinen Ex-Mann keinen Ort mehr gibt, an den er auf dieser Welt noch gehen könnte. Keine Wohnung, kein Telefon mehr. Wieder winkt mir die Dame zu. Lächelnd.

Februar 2008

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